Die Steinbeker Mühle
Viele traditionelle Mühlen, die vor der industriellen Revolution gegründet worden waren und die Energie von Wasser und Wind nutzten, konnten der Konkurrenz durch mit Dampfkraft angetriebene Mühlen nicht standhalten, gingen ein, verfielen oder werden heute als Museum genutzt. Anders ist es mit der Steinbeker Mühle. Sie wird seit dem Mittelalter betrieben, hat allerdings auch eine wechselvolle Geschichte.
Die Mühle, die unterhalb des Steinbeker Kirchbergs malerisch im Tal der Glinder Au liegt, wurde erstmals im Jahre 1321 urkundlich erwähnt. Damals wurde sie zusammen mit dem restlichen Dorf Steinbek vom Grafen Johann III. von Holstein für 800 Mark Hamburger Pfennige an das Kloster Reinbek verkauft. Wenig später, im Jahr 1342, erlitt sie schweren Schaden, als die Hamburger Ratsherren und Bürger die Dörfer des Domkapitels plünderten und brandschatzten, weil sie den geistlichen Herren ihren reichen Besitz neideten. Für das Jahr 1626 ist die Existenz zweier Mahlgänge belegt, einer für das Mahlen von Korn und einer für das Walken von Lumpen für die Papierfabrikation. Die Walkmühle wurde zu dieser Zeit vollständig erneuert und in den folgenden Jahrzehnten vorübergehend in eine Fellgerbermühle und Lohmühle umgewandelt. Letzteres geschah trotz eines Einspruchs der Schleemer und Domhorster Müller, wenig später wurde sie angezündet und brannte ab. 1681 erwarb der Hamburger Kaufmann Herrmann Alberding die Mühle. Er ließ sie von Grund auf erneuern und erhielt das Privileg, als einziger Betrieb im Amtsbereich eine Farbholzmühle zu betreiben, die zur Gewinnung der in den Hölzern enthaltenen Farbstoffen diente.
Getrieben waren die Müller stets davon, ein Auskommen zu finden, was in der damaligen Zeit schwierig war. Im Falle der Steinbeker Mühle kam noch hinzu, dass gleich zwei Müller in jungen Jahren starben, und sich ihre Witwen einen Setzwirt auf die Mühle holen mussten. Nach einer erneuten Insolvenz kam die Mühle schließlich im Jahr 1735 in den Besitz der Familie Neubauer, die sie noch heute betreibt.
Der Kaufpreis betrug damals 4120 Reichstaler. Neben der Mühle gehörte auch ein größerer landwirtschaftlicher Betrieb mit mehreren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden dazu, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts 30 ha umfasste. Zum Inventar der Mühle selbst zählten neben der Kornmühle mit zwei Mahlgängen und der Holzmühle ein großes, mit Dachpfannen gedecktes Wohnhaus mit vier Zimmern sowie einer großen Küche und zwei großen Wandschränken im Erdgeschoss und einem großen Saal, zwei Kammern und einem Boden im ersten Geschoss, ein mit Stroh gedecktes Landhaus mit Stube, Ställen und einem großen Kornboden, zwei weitere kleine Gebäude mit insgesamt drei Wohnungen, ein Pferdestall für insgesamt vier Pferde, mehrere Fischteiche und Gärten, wobei der des Müllerhauses auch ein Lusthaus und ein Taubenhaus umfasste. Außerdem verfügte der Müller über das Fischereirecht sowohl im Mühlteich als auch in der Glinder Au unterhalb der Mühle. An der Vorderseite war das Mühlengelände durch zwei große Pforten abgesperrt, an der Rückseite durch einen Schlagbaum.
Bevor Jürgen Neubauer die Steinbeker Mühle erworben hatte, war er 20 Jahre lang Pächter der Mühle in Wohldorf gewesen. Sein Sohn Jochim Nicolaus Neubauer ersetzte 1769 gegen eine jährliche Gebühr die unterschlächtigen Mühlräder durch oberschlächtige, was aufgrund der damit verbundenen Wasserstauungen zu einem Rechtsstreit mit dem Müller von der Steinfurther Mühle führte, der schließlich durch die Setzung eines Wasserpostens bei der Steinbeker Mühle beigelegt wurde. In der Folgezeit wandelte man die Holzmühle in eine Lohmühle um und ergänzte sie durch einen zweiten und dritten Mahlgang. Außerdem erwarb Georg Franz Jacob Neubauer (1773-1840), der die Mühle 1805 übernahm und mit einer Tochter des Schiffbeker Bauernvogts Siemers verheiratet war, zusätzlich zu dem bereits bestehenden Privileg zum Bierbrauen die Konzession zum Branntweinbrennen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb einer Schankwirtschaft stand. Sein Sohn Georg Eduard Neubauer (1820-1904) verpachtete die Mühle zunächst, verkaufte sie dann sogar und trat auch die Branntweinbrennerei und die Brauerei ab, so dass ihm nur noch die Schankgerechtigkeit und die Bewirtschaftung der Ländereien blieben, sofern diese nicht verpachtet waren. Am Ende seines Lebens ließ er den alten Krug an der Steinbeker Hauptstraße durch ein neues großes Gasthaus ersetzen, dass für viele Jahrzehnte zu einer Steinbeker Institution wurde.
Während das Gasthaus nach seinem Tod von seinem Sohn aus zweiter Ehe Herrmann Jacob weitergeführt wurde, gelang es seinem Sohn aus erster Ehe Gustav Adolf (1861-1934), der zunächst den landwirtschaftlichen Betrieb übernommen hatte, im Jahr 1916, die Mühle wieder in den Familienbesitz zu bringen. 1920 ersetzte er die Mühlräder durch Schaufelturbinen mit einer Leistung von etwa 40 PS und legte so die Grundlage für einen erneuten Aufschwung der heruntergekommenen Mühle. Als neues Mahlgut kamen in den folgenden Jahrzehnten Hülsen von Kaffeebohnen, Kakaoschalen und Kokosschalen hinzu, die gemahlen als Füllstoff von der Kunststoffindustrie genutzt wurden. Heutzutage verarbeitet das Unternehmen vor allem Glimmer, der in der Autoindustrie Verwendung findet. Mittlerweile sind es die Urenkel von Gustav Adolf Neubauer, die die Geschicke der Steinbeker Mühle lenken.