Das Unternehmen C. Woermann
Das Unternehmen C. Woermann wurde im Jahr 1837 in Hamburg gegründet. Sein Gründer Carl Woermann stammte aus einer Bielefelder Leinenfabrikanten-Familie. Das Unternehmen knüpfte zunächst Handelsbeziehungen nach Südamerika und Westindien, dann nach Australien und Indien und schließlich auch nach Afrika. Sein erstes Engagement galt hier dem westafrikanischen Staat Liberia. In erster Linie tauschte die Firma Branntwein und Waffen gegen Palmöl und Kautschuk. Palmöl war damals in Europa sehr begehrt, weil es den knapper werdenden Waltran bei der Herstellung von Schmiermitteln und von Margarine ersetzen konnte. Außerdem importierte Woermann Bananen, Kokos, Erdnüsse und Elfenbein. Zunächst transportierte er die Waren auf fremden Schiffen, ehe er ab 1847 eine eigene Flotte aufbaute. 1854 folgte in Liberias Hauptstadt eine erste Handelsniederlassung, 1867 kam eine in Gabun hinzu, 1868 eine in Kamerun. Letztere bestand zunächst aus einem dauerhaft im Kamerunfluss verankerten alten Schiff, das bald um mehrere Faktoreien und schließlich 1881 um eine Niederlassung auf dem Festland ergänzt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Unternehmen bereits in den Händen seines zweiten Sohn Adolph Woermann. Carl Woermann war im Jahr zuvor im Alter von 67 Jahren verstorben. Adolph war bereits 1874 als Teilhaber in das Unternehmen eingestiegen. Sein Bruder Carl hatte kein Interesse an der Übernahme gehabt und wollte lieber Kunstgeschichte studieren. Nachdem das Unternehmen bereits 1862 über acht Schiffe verfügt hatte, besaß es beim Tod seines Gründers zwölf Segelschiffe und ein in den Jahren 1877-79 gebautes erstes Dampfschiff. 1878 hatte es zudem den Ostindienhandel aufgegeben, um sich ganz auf das Geschäft in Afrika zu konzentrieren.
In den folgenden Jahren baute Adolph das Unternehmen zum bedeutendsten deutschen Handelshaus für den Afrikahandel und zur größten Privatreederei der Welt aus. Nach und nach wurden die Segelschiffe durch Dampfer ersetzt. 1882 nahm man einen Liniendienst nach Nigeria auf, zwei Jahre später folgte einer nach Kamerun. 1885 gliederte man die Schiffe in ein eigenes Unternehmen, die Afrikanische Dampfschiffs-Aktiengesellschaft aus, für die sich schnell die Bezeichnung Woermann-Linie einbürgerte. 1890 gehörte Woermann zu einem Hamburger Konsortium, das die von der Reichsregierung gewünschte Deutsche Ost-Afrika Linie (DOAL) aus der Taufe hob; auch hier übernahm er die Geschäftsführung. 1896 kam ein Liniendienst seiner eigenen Schiffe für die gesamte afrikanische Westküste hinzu. Aber auch die Handelsaktivitäten wurden weiter ausgebaut. So war das Unternehmen seit 1891 auch im heutigen Namibia aktiv.
Zugleich spielte Adolph Woermann eine bedeutende Rolle beim Aufbau des deutschen Kolonialreichs in Afrika. 1883 hatte er eine Denkschrift aufgesetzt, in der er den Schutz des Deutschen Reichs für den hanseatischen Handel in Afrika forderte. Zum einen sollte die englische und französische Konkurrenz ferngehalten werden, zum anderen der Binnenhandel unterbunden werden. Nachdem er die Hamburger Handelkammer für dieses Ansinnen gewonnen hatte, gelang es ihm auch, in persönlichen Gesprächen den Reichskanzler Otto von Bismarck zu überzeugen. Im Dezember 1883 wurde ein Kriegsschiff nach Afrika gesandt und im April 1884 die Lüderitzbucht im heutigen Namibia unter Reichsschutz gestellt, im Juli desselben Jahres vereinbarte man mit mehreren Stammeshäuptlingen in Kamerun vertraglich, dass die Souveränität, die Gesetzgebung und die Verwaltung des Gebietes an die beiden Unternehmen C. Woermann und Jantzen & Thormälen übergeht. Dies waren die Anfänge der deutschen Kolonialherrschaft. Als von November 1884 bis Februar 1885 auf der Berliner Afrika-Konferenz die europäischen Großmächte die Aufteilung des Kontinents verhandelten, war Adolph Woermann ebenfalls beteiligt.
Der Herero-Aufstand im Jahr 1904 im heutigen Namibia brachte Adolph Woermann und seine Schifffahrtslinie dann ein wenig in Verruf. Als einziges Unternehmen, das damals über die erforderlichen Frachtkapazitäten für den Transport von Soldaten, Pferden und Material verfügte, nutzte es seine Marktmacht zu Lasten des Deutschen Reiches aus. Die überhöhten Frachtraten und unstimmigen Liegegebühren summierten sich auf 6 Millionen Mark. Damit war die Reederei der größte Kriegsgewinnler bei dem Konflikt. Albert Ballin, der Direktor der großen Reederei HAPAG, nahm Woermann zwar in Schutz, doch Kaiser Wilhelm II. wollte ihn fortan nicht mehr sehen.
Ab Beginn des 20. Jahrhunderts war der Konkurrenzdruck im Afrika-Geschäft größer geworden. Vor allem die neu gegründete Hamburg-Bremer Afrika-Linie (HBAL) setzte Woermann zu. 1907 ging er daraufhin eine Betriebsgemeinschaft mit der HAPAG ein, der auch die DOAL angehörte und später auch die HBAL beitrat. Acht überzählige Dampfer wurden von der HAPAG übernommen. Doch auch so verfügte die Woermann-Linie bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs noch über 29 Schiffe für die West- und Südwestafrika-Fahrt sowie elf Küstenschiffe.
Adolph Woermann war bereits drei Jahre zuvor gestorben, das Unternehmen daraufhin in die Hände seines Bruders Eduard sowie seines Sohnes Kurt übergegangen. Der Erste Weltkrieg brachte dann den fast vollständigen Verlust der Flotte mit sich. 1916 wurde die Woermann-Linie an ein Konsortium von HAPAG, Norddeutschem Lloyd und dem Industriellen Hugo Stinnes verkauft. In der NS-Zeit sowie danach folgten weitere Eigentümerwechsel, ehe die Woermann-Reederei in den 1980er Jahren schließlich mit ihren Linien-Rechten an ein belgisches Unternehmen ging.
Das Handelsunternehmen C. Woermann musste infolge der beiden Weltkriege mehrfach von Grund auf umstrukturiert werden. Heute ist es ein mittelständisches Import- und Exportunternehmen, das sich auf Autoteile, Maschinen und Stahl spezialisiert hat. Außerdem ging aus dem Unternehmen in Namibia die Kaufhauskette Woermann & Brock hervor.