Sozialer Wohnungsbau ab 1950
Durch die schweren Kriegszerstörungen Hamburgs im Zweiten Weltkrieg bekam die Wohnungsnot eine ganz neue Dimension. 61% des Wohnraums der Millionenstadt waren vernichtet. Hunderttausende lebten in Notunterkünften, in Baracken, Nissenhütten, Schrebergärten, Kellern und notdürftig wetterfest gemachten Ruinen. Auch in den intakten Wohnungen waren die Verhältnisse durch Einquartierungen oder die Aufnahme von ausgebombten bzw. vertriebenen Angehörigen häufig sehr beengt.
In Billstedt, das erst durch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 zur Hansestadt gekommen war, gab es zwar auch etliche Häuser, die durch Bomben beschädigt oder vernichtet worden waren, doch die Zerstörungen hatten nicht das Ausmaß wie in anderen Gebieten, wo mitunter kaum noch ein Haus stand. Neben einem weitgehend intakten Gebäudebestand zeichnete Billstedt sich dadurch aus, dass es hier recht zentrumsnah und mit einer guten Infrastruktur viele frei Flächen gab, die für den dringend benötigten Wohnungsbau genutzt werden konnten, ohne dass man vorab noch die Trümmer beseitigen musste.
Von den frühen 1950er Jahren bis Ende der 1970er Jahre wurden in Billstedt viele tausend Wohnungen geschaffen, der Großteil davon im Rahmen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus. Bauträger waren in den meisten Fällen städtische Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften.
Den Anfang machten noch recht kleinteilige, aus Schüttbeton mit Trümmersplittbeimischung gebaute Anlagen. 1952/53 wurde auf diese Weise die Siedlung Mehrenskamp mit Reihenhäusern und dreigeschossigen Laubenganghäusern errichtet, 1954/55 die rechtwinklig zueinander angeordneten, bis zu fünfgeschossigen Blocks am Anfang der Washingtonallee. Es folgte bis in die frühen 1960er Jahre hinein beiderseits der Möllner Landstraße, auf Höhe der heutigen U-Bahn-Haltestelle Merkenstraße, zwei weitere, überwiegend in Gelbklinker ausgeführte Komplexe: Zum einen eine weitläufige Anlage, die von den namhaften Architekten Ingeborg und Friedrich Spenglin, Werner Kallmorgen sowie Günther Marschall stammt und neben knapp 200 kleinen Reihenhäusern auch mehrere viergeschossige Zeilenbauten und ein kleines Ladenzentrum umfasst. Zum anderen die von fünf achtgeschossigen Punkthäusern dominierten, nach ihrem Bauherren benannten Prignitzbauten.
In den 1960er Jahren baute man dann neben rotem Backstein wie beispielsweise am Glitzaweg und am Koolbarg überwiegend mit Beton-Fertigteilen. Die erste Anlage dieser Art war das zwischen 1962 und 1966 errichtete Sonnenland. Es folgten unter anderem ab 1964 die Bullensiedlung an der Archenholzstraße, ab 1968 die Bauten in Kaltenbergen und an der Dannerallee und ab 1972 die Großsiedlung Mümmelmannsberg. Hinsichtlich Größe, baulicher Dichte und Höhe nahmen diese Siedlungen fortwährend zu. Mümmelmannsberg bildete schließlich mit 7.000 Wohnungen sowie einem eigenen Ladenzentrum und Schulkomplex fast einen eigenen Stadtteil im Stadtteil.
Zugleich kam mit der Fertigstellung Mümmelmannsbergs im Jahr 1979 die bauliche Entwicklung Billstedts zu einem gewissen Abschluss. Innerhalb von drei Jahrzehnten hatte sich die Einwohnerzahl verdreifacht. Mit etwa 69.000 Einwohnern erreichte der Stadtteil ungefähr den Stand, den er noch heute hat. Der hohe Anteil an Sozialwohnungen prägt bis heute die Wahrnehmung des Stadtteils innerhalb der Stadt.
Verkannt wird dabei oft, dass zum einen auch in den Großsiedlungen Quartiere mit viel Lebensqualität entstanden sind, die von den Bewohnern geschätzt werden. Neben relativ günstigen Mieten zeichnen sie sich meist durch viel Grün aus. Gerade die Bauten aus den 1970er Jahren verfügen zudem häufig über recht großzügige Grundrisse.
Zum anderen sind in der Nachkriegszeit in Billstedt auch zahlreiche Einzel-, Doppel- und Reihenhausgebiete entstanden, die gemeinsam mit den historischen Ortskernen einen gewissen Kontrast bilden zu den Bereichen mit sozialem Wohnungsbau. Beispielhaft sei hier das weitläufige Areal beiderseits des Schiffbeker Wegs genannt. Teils ausgehend von in 1920er Jahren angelegten Schrebergärten, teils auf noch bis in die 1940er Jahre hinein landwirtschaftlich genutzten Flächen entstanden hier ab den frühen 1950er Jahren viele hundert Eigenheime. Ein Großteil von ihnen verfügt zwar nur über recht kleinteilige Grundrisse, aber über für heutige Verhältnisse überdurchschnittlich große Grundstücke. Vielfach handelt es sich dabei zudem um Erbpachtgrundstücke. All dies rührt daher, dass diese Häuser auf der Grundlage des Reichsheimstätten-Gesetz errichtet wurden. Dieses war in den 1920er Jahren erlassen worden, um auch den Beziehern kleinerer Einkommen den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen. Mittlerweile haben viele Hauseigentümer auch die Grundstücke erworben. Immer häufiger werden die Bauten aus der Nachkriegszeit abgebrochen und durch moderne, großzügigere Neubauten ersetzt oder aber im Zuge der Nachverdichtung durch ein weiteres Gebäude ergänzt.